Sie glauben, Ihre Vorgesetzen sind nicht immer ganz ehrlich
zu Ihnen, wenn diese mal wieder behaupten Ihre Station sein überbesetzt? Nein, da
muss ich Sie leider enttäuschen, in den meisten Fällen haben Ihre Vorgesetzten leider
recht.
Sie haben das Gefühl, Sie sind völlig überarbeitet und werden
den Bedürfnissen Ihrer Pflegebedürftigen nicht gerecht? Ja, damit haben Sie vermutlich
sogar recht!
Aber wie kommt es nun dazu, dass Sie tatsächlich das Gefühl
haben stetig überarbeitet zu sein, obwohl Ihre Station überbesetzt ist?
Als erstes muss ich einmal darauf hinweisen, dass wir leider
bei diesem Thema nicht drum herum kommen über Zahlen zu reden, aber ich habe
mich bemüht dies so gering wie möglich zu halten.
Ich kann Sie auch schon mal beruhigen, es liegt vermutlich
nicht an Ihrer Unfähigkeit. Das Problem ist die Berechnung des
Stellenschlüssels in der Pflege.
Das will ich Ihnen hier mal kurz an 2 Beispielen zeigen. Ich
habe Nordrhein-Westfalen gewählt, da mit diesem Stellenschlüssel noch relativ
einfach zu rechnen ist und dieser bundesweit im Mittelfeld liegt.
Im ersten Beispiel gehen wir einfach vom bestmöglichen Fall
aus. Eine 100% Stelle entspricht hierbei 40 Stunden/Woche und unser
Pflegebedürftiger hat die Pflegestufe 3, für die mindestens ein Bedarf von
240min Grundpflege benötigt wird.
Als erstes schauen wir mal auf den Stellenschlüssel in NRW. In
diesem gibt es 1:1,8 Stellen für einen Pflegebedürftigen der PST 3.
Uns stehen also 0,56 (1/1,8 gerundet) Stellen zur Verfügung.
Daraus ergibt sich, dass uns pro Tag eine Arbeitszeit von 192 min (40*0,56*60/7)
zur Verfügung gestellt wird.
Des weiteren stellen wir uns vor, unser Pflegebedürftiger benötigt
genau diese 240min.
Das heißt die Pflegekraft muss in 192min, 240min Arbeit leisten.
Klingt erstmal unrealistisch, aber dann kommt das Totschlag-Argument der
Politik zum Tragen. Bei der Berechnung der Minuten wird von Leienpflege
ausgegangen und professionelles Personal wird da natürlich schneller sein. Gut,
angenommen wir geben der Politik mal recht, dann schauen wir uns diese 192min
doch mal genauer an.
Erstens, es handelt sich hierbei um Brutto-Arbeitszeit. Soll
heißen in der Realität zieht man davon 20%, für z.B. Fortbildungen, Urlaub, Krankheit
usw. ab und es bleiben nur noch 153,6 min.
Zweitens, in diesen 153,6 min sind keine Zeiten für Dokumentation,
Telefonate, Übergabe und Gespräche mit dem Pflegebedürftigen etc. enthalten. Dafür können wir noch einmal gut
10% (sehr wohlwollend, in der Regel wird dazu deutlich mehr Zeit benötigt) abziehen.
Bleiben also 134,4 min für 240min Grundpflege.
Drittens, andere Stellen z.B. PDL oder WBL, welche auf die
Stellen der Pflege mit angerechnet werden sind ebenfalls noch nicht mit
einbezogen. Noch einmal 10 % weniger. Es bleiben noch 115,2 min.
Zum Schluss bleiben also in der Realität 115,2 min um 240min
Arbeit zu leisten und das im aller besten Fall. Denn in der Regel liegt die
Wochenarbeitszeit einer 100% Stelle in der Pflege bei 39 Std. und der
Pflegebedürftige hat einen deutlich höheren Bedarf als 240min.
Aus diesem Grund nehmen wir im zweiten Beispiel eine
Wochenarbeitszeit von 39 Std. an. Der Pflegebedürftige hat einen Bedarf von
300min pro Tag. In diesem Beispiel bleiben
am Ende 112min für 300min Arbeit zur Verfügung.
Diese Diskrepanz zwischen Theorie und Realität sorgt dafür,
dass theoretisch in vielen Fällen Stationen überbesetzt sind, die Pflegekräfte
aber ein ständiges Gefühl der Unterbesetzung haben.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal darauf
hinweisen, dass es in anderen Bundesländern noch einen deutlich schlechteren
Stellschlüssel gibt.
Wundert sich irgendwer jetzt noch über den hohen
Krankenstand in der Pflege, über schwere Pflegefehler, über mangelnde Hygiene,
fehlerhafte Dokumentation usw.? Also ich
nicht!
Übrigens daran wird sich mit dem Pflegestärkungsgesetz 2
definitiv auch nichts ändern. Kann sich auch nicht, da der Markt an
Pflegekräften völlig ausgeschöpft ist. Eine Änderung des Schlüssels würde nur dazu
führen, dass der Pflegenotstand in Zahlen noch wesentlich deutlicher wäre, aber
nicht zu einer Behebung von diesem.
Aber bitte machen Sie jetzt nicht den Fehler und stecken Sie
den Kopf in den Sand. Denken Sie daran, diese
Menschen brauchen Sie trotzdem. Aber vielleicht setzen Sie sich nicht mehr
selbst so unter Druck. Natürlich ist es frustrierend, wenn Sie den Menschen
nicht so helfen können, wie Sie möchten, aber machen Sie sich nicht selbst oder
ihren Vorgesetzen zum Feind. Sie sind gemeinsam Opfer eines fehlerhaften
Systems und nur gemeinsam gibt es vielleicht irgendwann einen Weg daraus. So
lange sich die einzelnen Bestandteile des System Pflege gegenseitig bekriegen,
spielen Sie dem System in die Hände und es wird sich nichts ändern.
Ach, für alle Angehörigen, die bis zum Schluss durchgehalten
haben, seien Sie nachsichtig. Auch wenn die kosten für einen Pflegeplatz meist
über 3000€ monatlich liegt. Die Schwester und Pfleger, sowie die Leitungskräfte
können am wenigsten dafür. Diesen Menschen gehört der größte Respekt unter
diesen Bedingungen zu Arbeiten.
© Heiko
Pietsch
Du kannst bei einer PDL auf keinen Fall nur 10% abziehen.
AntwortenLöschenHier möchte ich einfach als Stichwort die Arbeitsplatzmethode benennen. Beispiel:
Eine PDL soll 3 x pro Woche eine Pflegevisite durchführen (Vorgabe). Die Visiten dauern incl. Vor- und Nachbereitung 2,5 Stunden. Wie hoch ist der Vollzeitstellenanteil?
Formel dazu wäre:
Anzahl MA x Stunden x Wochenarbeitstage x Ausfallfaktor (1,25) /
38,5 (oder die sonst vereinbarte Wochenarbeitszeit) = Anzahl VZ-Stellen;
Am Beispiel gerechnet:
1 PDL x 2,5h x 3 pro Woche x 1,25 / 38,5 = 0,24 VZS
Sie arbeitet also mit fast einer Viertelstelle nur für Pflegevisiten!
Dennoch ist es großartig beschrieben und ich stimme dir zu. Dass Problem ist offensichtlich. Die Damen und Herren, können nicht Rechnen :D